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(von Laura Hündorf)

 

5 Tage und einige Stunden, kurz eine Arbeits- oder Schulwoche benötigt man, wenn man von Leipzig nach Krakau laufen will. Zu Fuß hätte es also nicht mehr rechtzeitig geschafft, aus Gera, wo am Montag den 3. Oktober der „inoffizielle“ Saisonabschluss stattfand, nach Krakau zu reisen um am Samstag den 8. Oktober 2011 an einem Rennen über 70km teilzunehmen. Deswegen entschied ich mich dann doch für den Zug.

 

So stand ich Freitagmorgen mit meinem Gepäck auf dem Bahnsteig und wartet auf den Regionalexpress nach Cottbus. Nach einer 2-stündigen Zugfahrt stieg ich in Cottbus in den Eurocity nach Krakau um. Der Eurocity, welcher in Hamburg losfährt, nennt sich auch kurz Wawel-Express, wie die gleichnamige prunkvolle Burganlage in Krakau. Es wäre jedoch falsch daraus zu schließen, dass dieser Zug genauso luxuriös ist. Nach der Grenze scheint die Welt still zu stehen - man könnte fast meinen, der Zug tut es auch, so langsam schleicht er mit 50 km/h durch das Grenzgebiet. Schuld daran sind die maroden Gleisanlagen. Seitdem es seit 2009 eine durchgängige Autobahn von Dresden nach Kraków über Wroclaw (Breslau) gibt, sind viele ehemalige Bahnreisende auf das Auto umgestiegen, um Zeit zu sparen. Dies war wiederum für mich und meine zwei großen Taschen ein Vorteil, denn wir hatten freie Platzwahl.

Die Zugfahrt von Cottbus nach Krakau dauert ungefähr acht Stunden. Viel Zeit um mir zu überlegen, was auf Polnisch „Ich kann mir gar nicht erklären, warum ich soviel Gepäck habe“ heißt oder was ich antworten werde, wenn Janusz meine Taschen sieht und ich schon an seiner Mimik erkenne, dass er jetzt Angst hat, dass ich bei ihm einziehe.

Um 20 Uhr hatte der Zug das verregnete Krakau erreicht, es regnete dort schon den ganzen Tag. Und der Wetterbericht sagte keine Besserung voraus.

Am Bahnsteig wartete schon Janusz, ein Skater vom dort ansässigen Speedskateverein, dem KKSW Krak. Janusz hatte ich zwei Wochen vorher auf der Berlin-Marathon Party kennengelernt. Ich erzählte ihm, dass ich in Krakau starten will und er versicherte mir, dass sie sich um mich kümmern werden. So holte er mich von Bahnhof ab, zudem brauchte ich mich nicht extra um eine Unterkunft kümmern. Er räumte für mich sein Schlafzimmer, was mir schon sehr unangenehm war. Nachdem wir abends in der Altstadt noch etwas essen waren, fiel ich todmüde und geschafft von der langen Zugfahrt ins Bett.

 

Am nächsten Morgen traute ich meinen noch verschlafenen Augen kaum, als ich aus dem Fenster blickte: die Sonne schien. Jedoch wehte ein starker Wind und es war eisig kalt. Nach dem Frühstück packte ich also alle lange Sachen, die ich mithatte, in meinen Rucksack. Janusz war bereits seit dem frühen Morgen an der Wettkampfstrecke, da es ein volles Programm gab. Ich rief ihn an und er holte mich ab.

Als wir am Veranstaltungsort ankamen, verschwand leider die Sonne immer mehr und dunkle graue Wolken zogen auf. Nun stellte sich also nicht nur die Frage: „ Wie viel ziehe ich an?“ sondern auch „Welche Rollen?“. 70km sind nicht so schnell gefahren, da kann sich das Wetter im Rennen ändern. Mit „normalen“ Rollen starten – und dann regnet es nach eine Stunde - „doof“. Mit Regenrollen starten und es bleibt die ganze Zeit trocken - „auch doof“. Ich beschloss die Rollenfrage bis kurz vor den Start zu verschieben und schaute mir den Aufbau der Bladecross-Strecke an.

Neben dem klassischen Speedskatingrennen gibt es in Polen häufig auch noch andere Wettbewerbe auf Rollen am Wettkampftag. So begannen am Morgen bereits die Kinderrennen. Dazu gab es einen Bladecross-Wettkampf, bei dem man einen Hindernisparcour skaten musste. Dazu kamen verschiedene Speedslalom und Freestyle Wettbewerbe und ein Rennen im Rückwärtsskaten. Neben dem traditionellen 70km Rennen, fand zudem auch noch ein Halbmarathon statt. Das Rennen wurde auf einem Rundkurs ausgetragen, der an manchen Stellen sehr eng war. Es gab zudem auch ein kleines Stück Bürgersteig, welches jedoch „skatebar“ war. Ansonsten war der Asphalt gut. 20 Runden ergaben 70km, eine kleine Zählhilfe gab es in Form einer elektronischen Anzeigetafel (diese hätte sicher auch Drops in Gera geholfen).

 

Der Start ging sehr gesittet zu. Ich orientierte mich an Basia, einer Skaterin aus Danzig. Zunächst schien alles glatt zu laufen, jedoch bemerkte ich nach der ersten Runde, dass ich Probleme in den Schienbeinen bekam. Ich verkrampfte immer mehr und lief wie auf rohen Eiern, was mir auch sehr peinlich war. Das hieß erst einmal einen Gang rausnehmen.

Nach 35km lockerten sich meine Beine und ich fand langsam rein ins Rennen - noch waren 35km zu fahren. Es fand sich eine große Gruppe (15-20 Mann), in der jedoch nur wenige führten. Trotzdem hat es sehr viel Spaß gemacht. Ich nahm mir vor, den Zielsprint meiner Gruppe zu gewinnen, wenn es schon nicht für mehr reichen sollte. Mit ein wenig Vorsprung gelang mir dies dann auch. Das Treppchen hatte ich als Vierte knapp verfehlt, jedoch wurde ich in meiner Altersklasse noch Dritte. Letztendlich war mir aber wichtig, dass ich wieder Spaß an Wettkämpfen finde und meine Angst besiege, in einer Gruppe zu fahren. Und dieses Ziel konnte ich erreichen.

 

Nach dem Rennen gab es dann für jeden Sportler noch kostenlos etwas Warmes zu essen und zu trinken. Wenige Minuten nachdem der letzte Skater das Ziel erreichte, fing es an stark zu regnen. Jedoch hörte es wieder pünktlich zur Siegerehrung auf.

 

Nach einer warmen Dusche trafen wir uns am Abend alle in einem kleinen Pavillon. Jeder Teilnehmer hatte mit seinen Startunterlagen einen Gutschein für ein Bier bekommen, jedoch hatten wir auf dem Tisch mehr Gutscheine liegen als wir eigentlich trinken konnten. Es entwickelte sich eine gesellige Runde, in der wir bei Bier und anderen alkoholischen Getränken den Tag Revue passieren ließen.

Nach Mitternacht fuhren wir noch in die Altstadt, die nachts mindestens genauso lebendig ist wie tagsüber. Wir gingen in ein nettes Tanzlokal und tranken noch den ein oder anderen Wodka.

Müde und erschöpft fiel ich ins Bett - wissend, dass zwei Stunden später bereits mein Wecker klingelte.

 

Sonntagmorgen um viertel 8 saß ich schon wieder völlig verschlafen im Zug. Der Aufenthalt in Krakau war natürlich viel zu kurz. Zwar war ich bereits zweimal in der zweitgrößten Stadt Polens, jedoch ist Krakau immer ein Besuch wert. In den letzten Jahren hat sich die Stadt sehr entwickelt. Sie ist sehr modern geworden, jedoch finden sich in der Stadtmitte eine Vielzahl an Bauwerken der Gotik, der Renaissance und des Barocks. Nicht zuletzt wird Krakau auch nachgesagt, die heimliche Hauptstadt Polens zu sein. Als zweites Argument wäre die tolle polnische Gastfreundschaft zu nennen. Ich habe an diesem Wochenende viele nette neue Leute kennengelernt. Mit ihren weiß-schwarzen Anzügen und ihren meist einheitlichen weißen Helmen und Brillen sind die Skater aus Krakau sicher schon einigen von euch bei den Rennen in Berlin aufgefallen.

 

Jährlich im April findet in Krakau der Cracovia-Halbmarathon statt. Hierzu sind wir alle recht herzlich eingeladen wurden. Die polnischen Skater haben uns auch versprochen dafür in Leipzig an den Start zu gehen, jedoch, so weiß ich mittlerweile, überschneiden sich die beiden Veranstaltungen zeitlich. Nichtsdestotrotz würde sie sich herzlich freuen, wenn ich nächstes Jahr im Oktober nicht alleine hinreise. Jeder von uns ist eingeladen sich noch einmal zum Ende der Saison auf 70 Kilometern zu messen. (der Name der Veranstaltung heißt im Übrigen so viel wie „Nicht nur für ‚Überflieger‘ / Profis“) Es locken niedrige Startgebühren und es winken tolle Sachpreise und Medaillen.

Vielleicht kann ich den ein oder anderen von uns noch begeistern seinen Saisonabschluss nach Polen zu verlegen und die Partnerstadt von Leipzig 2012 rollend zu erkunden. Mit dem Zug müssen wir ja nicht hinfahren ;)


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